Blogger äußern sich zur Causa Luthe
Im Oktober 2009 absolvierte Andreas Luthe sein erstes Profispiel für den VfL Bochum. Nach der Entlassung von Marcel Koller hatte Interimscoach Funny Heinemann den damals 22-jährigen beim 1:0-Sieg in Nürnberg für Daniel Fernandes ins Tor gestellt. Das Spiel in Braunschweig vor knapp zwei Wochen dürfte das letzte Kapitel in der sechs Jahre andauernden VfL-Geschichte des Andreas Luthe gewesen sein.
Im Oktober 2009 absolvierte Andreas Luthe sein erstes Profispiel für den VfL Bochum. Nach der Entlassung von Marcel Koller hatte Interimscoach Funny Heinemann den damals 22-jährigen beim 1:0-Sieg in Nürnberg für Daniel Fernandes ins Tor gestellt. Das Spiel in Braunschweig vor knapp zwei Wochen dürfte das letzte Kapitel in der sechs Jahre andauernden VfL-Geschichte des Andreas Luthe gewesen sein.
Denn der VfL Bochum hat seinen Stammtorwart bis zum 4. Januar 2016 beurlaubt. Grund dafür ist seine per Posting bei Facebook veröffentlichte Kritik an Trainer Gertjan Verbeek. „Wir sind der Auffassung, dass Andreas Luthe eine Denkpause benötigt, um den Vorfall der vergangenen Woche angemessen zu verarbeiten“, äußert sich VfL-Sportvorstand Christian Hochstätter in der Pressemitteilung des Vereins.
Luthe backt indes kleine Brötchen: er hat die Beurlaubung akzeptiert und nennt sie fair. Aber ist diese Beurlaubung eine tragfähige Lösung oder ein Abschied auf Raten? Die Blogger Stephan Kottkamp (Castroper Straße 145), Tom MacGregor (Commando Bochum) und Tobias Wagner (Blau-weiße Taktikecke) haben daran erhebliche Zweifel.
Stephan Kottkamp:
Seine Kritik in der Öffentlichkeit herauszuposaunen und dabei dem Gegner die Aufstellung zu verraten, sind zwei Dinge, die man als Profifußballer tunlichst unterlassen sollte. Dieses Verhalten Luthes spaltet Fans und Medien. Andi Luthe war schon immer ein Spieler, der stark polarisierte. Seine Leistungen in den letzten Jahren schwankten zwischen Welt- und Kreisklasse, seine Einstellung zu seinem Beruf und zu seinem Verein waren dabei stets tadellos. Als Gertjan Verbeek Anfang dieses Jahres Michael Esser zur Nummer 1 machte, fügte sich Luthe in die Rolle des Reservisten und gab den fairen Sportsmann. Als Esser seinen Wechsel nach Graz bekanntgab, war Luthe da und brachte Leistung.
In dieser Saison erlebten wir einen stark verbesserten Luthe, der kaum Fehler produzierte und auch im Spiel mit dem Ball einen Leistungssprung vollzogen hatte. Höhepunkt war das Spiel gegen Düsseldorf, in dem die Zuschauer den besten Luthe aller Zeiten erleben konnten. Der Wechsel zu Manuel Riemann überraschte nun alle. Luthes Reaktion ebenso. Andreas Luthe gehört zur Fraktion der intelligenteren Fußballer und gilt trotz seiner öffentlich geäußerten Kritik am AR-Vorsitzenden Villis nicht als Hitzkopf. Dass er den Facebook-Post unüberlegt abgesetzt hat und sein Vorgehen nun bereut, scheint vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist es, dass Luthe nach seiner Demission wusste, seine Zeit beim VfL werde spätestens im kommenden Sommer enden. Ein Rauswurf bzw. eine Vertragsauflösung im Winter käme ihm da sehr gelegen. Zumindest eröffnet ihm seine Beurlaubung nun ein unverhofftes Zeitfenster, um sich einen neuen Verein zu suchen – was auch dem VfL entgegenkäme. Dass Luthe am 4. Januar auf dem Trainingsplatz stehen wird, erscheint jedenfalls ausgeschlossen.
Tom MacGregor:
Die Beurlaubung von Andreas Luthe bis zum Trainingsauftakt wird ein Schock für den Urbochumer gewesen sein. Manche „Lutheraner“ werden das schade finden. Der überraschende, für die meisten Fans kaum nachzuvollziehende Torwartwechsel von Luthe zu Riemann, nach guten Leistungen von Luthe, wurde von ihm selbst über Twitter und Facebook mitgeteilt, kommentiert und inhaltlich missbilligt.
Das alles geschah vor dem wichtigen Heimspiel gegen Heidenheim und wurde nach nur 30 Minuten – und Kommentaren von Fans sowie Ex-Trainer Neururer – wieder runter genommen. Emotionen, Kalkül oder Dummheit? Auf diese unglückliche PR-Offensive Luthes reagierten Villis, Hochstätter und Verbeek und gaben dem Torwart eine Denkpause, auch weil er sich vor einem Jahr schon mal einen Fauxpas gegenüber dem Vorstandschef geleistet hatte – der war nun besonders enttäuscht über die Art und Weise, wie der Keeper seinem Frust Luft gemacht hatte. Das ging auch vielen Fans so.
Der umstrittene Sympathikus Andreas Luthe eckt an, hatte aber sportlich seine beste Saison bis dato. Dieser unnötige Rauswurf auf Raten hinterlässt nur Verlierer: den Verein, der vermutlich im Januar 2016 den Vertrag kostenlos auflösen wird, den Trainer, der mit der Presse eh auf Kriegsfuß steht und den Spieler, der sich mit seiner Art manchmal selbst im Weg steht und doch alles hätte haben können an der Castroper. Er hatte alle Anlagen, um wie Katze oder Rein ein echter VfL-Kult-Keeper zu werden, so ein Abgang ist für alle schade, scheint aber unter diesen Umständen unvermeidlich. Traurig.
Tobias Wagner:
Für den Wechsel im Tor kann es taktische und/oder psychologische Gründe geben. Ich will beide Ansätze kurz diskutieren. Ich habe die Ballbehandlung und das Passspiel Luthes schon häufiger in meinen Analysen kritisiert. Riemann gilt als großartiger Fußballer. Leider war dies in seinen Einsätzen bisher nur in Ansätzen zu erkennen. Er wurde weder stärker eingebunden, z. B. als höherer Mitspieler in der Ballzirkulation, noch war er so viel sicherer im Passspiel. Von daher sind taktische Gründe nicht zu erkennen.
Für die psychologische Seite spricht Verbeeks Aussage, dass er „einen neuen Impuls“ setzen wollte. Wie dieser Impuls genau aussehen sollte, ist jedoch unklar. Durch die Herausnahme eines Ruhepols wurde das Team eher verunsichert. Dazu kommt die Unruhe durch Luthes FB-Post und die Medien. Riemann wirkte in der ersten Halbzeit ebenfalls verunsichert.
Da beide Aspekte nicht klar sind, ist Luthes Aussage, dass ihn die Begründung nicht zufrieden gestellt hat, durchaus nachzuvollziehen. Dies hätte er jedoch intern ansprechen sollen. Der Zeitpunkt und die Art seines Statements waren sehr unglücklich. Eine Strafe ist also durchaus verdient. Doch auch hier ist die genaue Ausprägung nicht nachvollziehbar.
Durch die „Denkpause“ wird Luthe vom Team isoliert. Die Wut steigert sich eher, außerdem kann in der Mannschaft Unruhe entstehen. Eine Trennung ist sehr wahrscheinlich. Eine Denkpause hätte Luthe vielleicht vor Absetzen des FB-Posts gebraucht. Mittlerweile bereut er die Aktion. Was soll er also noch darüber nachdenken? Eine empfindliche Geldstrafe wäre besser gewesen. Die Bereitschaft, auch als Ersatzkeeper mit dem Team zu arbeiten, hat Luthe bereits gegen Heidenheim gezeigt.
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