Ausgerechnet Meppen: Die Kultfahrt ins Emsland

Meppen1

Allererstes Zweitligaspiel war Grundstein für sofortigen Wiederaufstieg
Kaum war der Begriff der „Unabsteigbaren“ kreiert worden, war er auch schon wieder Makulatur. Trotz einer furiosen Rückrunde musste der VfL Bochum im Jahre 1993 erstmals den bitteren Gang in die 2. Liga antreten. Die Mannschaft von Trainer Jürgen Gelsdorf holte in der Rückrrunde satte 18:16 Punkte (25 nach der 3-Punkteregelung), doch der Rückstand aus der desaströsen Hinrunde war nicht mehr aufzuholen.

Am letzten Spieltag stand es spitz auf Knopf. Im Heimspiel gegen den Lokalrivalen Wattenscheid benötigte man unbedingt einen Sieg und war darauf angewiesen, dass der 1. FC Nürnberg zeitgleich gegen Saarbrücken verlor. Trotz einer schnellen 1:0-Führung der Saarländer gewannen die Franken am Ende souverän mit 4:1. Der 3:1-Erfolg des VfL (Tore von Wegmann, Aden und Wosz) nützte nichts mehr.

Trotzdem wurden Mannschaft und Trainer („Jürgen Gelsdorf, der beste Mann der Welt…“) gefeiert und auf Händen getragen. Es bestand ja noch Hoffnung, dass der Klassenerhalt am Grünen Tisch erreicht werden konnte. Doch die Dresdner Verstöße gegen Lizenzauflagen blieben vorerst ungestraft. Erst in der kommenden Saison wurden den Sachsen Punkte abgezogen. Der VfL war nach 21 Jahren Bundesliga erstmals abgestiegen!

Karte VfL-Meppen

Das Ziel war klar: sofortiger Wiederaufstieg
„Unser Ziel ist der sofortige Wiederaufstieg“, sagte Trainer Jürgen Gelsdorf vor der Saison und drückte sich nicht vor der Favoritenrolle. Diese Rolle war auch absolut begründet, denn der Kader trainierte unter Bundesligabedingungen und wurde auch erstklassig bezahlt. Der mittlerweile verstorbene Manager Klaus Hilpert äußerte sich im kicker mit den Worten: „Еin nicht zu wiederholender Kraftakt! Wir sind quasi zum Aufstieg verdammt.“

In der Tat, Jürgen Gelsdorf standen zahlreiche erfahrene Bundesligaprofis zur Verfügung, um die Rückkehr ins Oberhaus binnen einen Jahres zu schaffen. Leistungsträger wie Uwe Wegmann, Dariusz Wosz und Holger Aden konnten trotz Angeboten aus der Bundesliga gehalten werden; hinzu kamen u. a. die Bundesligaspieler Uwe Stöver und Markus van Ahlen (beide aus Leverkusen), der heutige Gladbach-Manager Max Eberl (von den Bayern Amateuren) und der Isländer Thordur Gudjonsson, in späteren Jahren einer der Publikumslieblinge beim VfL.

Operation Wiederaufstieg startete in Meppen
Die Spielplanmacher hatten dem VfL am ersten Spieltag ein Auswärtsspiel beim SV Meppen beschert. Diese Ansetzung wurde von vielen VfL-Fans als Provokation des DFB empfunden. Ausgerechnet Meppen, lautete der Tenor. Warum hatte Meppen einen derart schlechten Ruf?

Meppen2„Ich fahr doch nicht nach Meppen!“ Seit diesem despektierlichen Ausspruch von Toni Schumacher war der SV Meppen der Inbegriff der 2. Liga. Der ehemalige Nationaltorwart spielte seinerzeit beim abstiegsbedrohten FC Schalke 04 und wollte unter keinen Umständen in der 2. Liga kicken. Die Meppener reagierten mit Humor auf Tonis Spruch: Ein lokaler Spediteur parkte einen LKW-Auflieger mit der Aufschrift „SV Meppen – das Fußballerlebnis“ direkt vor Schumachers Haustür.

Die beschauliche Kleinstadt im Emsland war fortan Synonym für die Provinz fernab der großen Fußballbühne. Zwischen 1987 und 1998 waren die Emsländer jedoch fester Bestandteil der 2. Bundesliga. Mit einem scheuen Blick nach oben träumte man in der Saison 1994/95 sogar vom Aufstieg in die 1. Liga. Diese Träume sollten sich freilich nie erfüllen.

In Bochum herrschte aufgrund der Vorkommnisse um Dynamo Dresden eine Jetzt-erst-recht-Haltung. Deshalb begaben sich Ende Juli 1993 rund 8.000 VfL-Fans auf den Weg ins Emsland und machten aus dem ersten Auswärtsspiel des VfL in der 2. Liga eine Kultfahrt. Die damals noch lückenhafte A31 war blau-weiß gefärbt.

Hart umkämpftes Spiel
Im ausverkauften Emslandstadion herrschte eine überragende Stimmung, was vor allem den mitgereisten Bochumern zu verdanken war, die nicht nur den Gästeblock, sondern auch die funkelnagelneue Tribüne bevölkerten und für eine Heimkulisse sorgten. Als dann auch noch Grönemeyers „Bochum“ aus den Stadionlautsprechern tönte, waren die VfLer im 7. Himmel und die negativen Erlebnisse des Abstiegs beinahe vergessen.

Die Partie gab schon mal einen Vorgeschmack auf das, was den VfL in der ganzen Saison erwarten sollte. Im Unterhaus wehte ein rauer Wind, es ging alles andere als zimperlich zu. Der VfL traf auf eine eingespielte Meppener Mannschaft, bei denen sämtliche Leistungsträger der Vorsaison gehalten werden konnten. Das Saisonziel des SVM war klar definiert: man wollte nicht ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten.

Der SVM hat schon deutlich bessere Zeiten erlebt: die abgelaufene Saison beendete der Verein auf Platz 5 der Regionalliga Nord.

Der SVM hat schon deutlich bessere Zeiten erlebt: die abgelaufene Saison beendete der Verein auf Platz 5 der Regionalliga Nord.

Und so wurde es kein Spiel für Ästheten. Der VfL hielt jedoch kämpferisch dagegen und ging nach 17 Minuten in Führung. Der Alpenbomber Uwe Wegmann erzielte mit einem abgefälschten Freistoß den ersten Zweitligatreffer des VfL. Den Rest des Spiels versuchten die Bochumer, diese Führung zu verteidigen. Eng wurde es, als der Koreaner Joo-Sung Kim in der 77. Minute wegen eines großen Fouls vom Platz flog. Doch Keeper Andreas Wessels hatte an diesem Mittwoch einen echten Sahnetag erwischt und verhinderte mit mehreren Glanzparaden einen Gegentreffer.

Davor agierte mit Christian Herrmann ein umsichtiger Libero, der zusammen mit den beiden Außenverteidigern Sven Christians und Olaf Dressel eine stabile Abwehr bildete. Nach 90 Minuten harter Arbeit war der erste Sieg mit ganz viel Kampf und ein wenig Glück eingefahren. Die VfL-Fans konnten sich zufrieden auf den 180km langen Rückweg ins Ruhrgebiet machen.

Grandioser Saisonstart: Vier Siege zum Auftakt
Nur drei Tage später empfing der VfL im Ruhrstadion den FC Hansa Rostock. Durch zwei Tore von Holger Aden wurden die Gäste von der Ostsee besiegt, die Tabellenführung erobert und eben diese bis zum Ende der Saison nicht mehr abgegeben. Überhaupt gelang dem VfL ein bemerkenswerter Start und legte man damit den Grundstein für die Meisterschaft in der 2. Liga. Die ersten vier Partien wurden allesamt gewonnen (Meppen, Rostock, Essen, Stuttgarter Kickers), die erste Niederlage setzte es am 9. Spieltag beim Auswärtsspiel an der Grünwalder Straße gegen die Löwen (1:4).

Aus dem Emslandstadion ist inzwischen die Hänsch-Arena geworden.

Aus dem Emslandstadion ist inzwischen die Hänsch-Arena geworden.

Das Rückspiel gegen den SV Meppen im Ruhrstadion entschied der VfL deutlich für sich. Durch Tore von Uwe Wegmann (3) und Thordur Gudjonsson wurde der Gast mit 4:0 besiegt. Am Ende der Saison landete der SV Meppen auf einem hervorragenden 7. Tabellenplatz. Das Kunststück des direkten Wiederaufstiegs sollte dem VfL noch vier Mal gelingen, ehe  die Serie in der Relegation 2011 riss und der VfL bis heute in der 2. Liga verbleiben muss.

Der SV Meppen ist mittlerweile in der Regionalliga Nord heimisch geworden. Eine Rückkehr in die 2. Liga ist aktuell unrealistisch. Im August 2015 erlebte der SV Meppen den Höhepunkt der letzten Jahre. In der 1. Runde des DFB-Pokals gastierte Bundesligist  1. FC Köln im Emslandstadion, das mittlerweile in Hänsch-Arena umbenannt worden ist.

Heute verbindet die beiden Kontrahenten vom Juli 1993 zwei Gemeinsamkeiten: die Erinnerung an und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Statistik:
SV Meppen – VfL Bochum 0:1 (0:1)
28.07.1993, 19 Uhr

SV Meppen: Kubik – Böttche – Helmer, Vorholt – Sievers, Marell, Gartmann (73. Dlugajczyk), Bujan, Szewczyk – van der Pütten  (59. Thoben), Rauffmann

VfL Bochum: Wessels – Herrmann – Christians, Dressel – Stöver, Kim, da Palma, Eitzert, Wegmann – Wosz (82. Helmig), Aden (76. Reekers)

Tor: 0:1 Wegmann (17.)

Gelbe Karten: Vorholt, Helmer – Wegmann, Eitzert, Helmig

Rote Karte: Kim (72.) wegen groben Foulspiels

Schiedsrichter: Hans-Joachim Osmers (Bremen)

Zuschauer: 15.600 im Emslandstadion

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