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„Du kannst der Informationsflut nicht entkommen“

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„Fußball-Fasten“: Autor Ben Redelings verzichtete einen Monat lang auf Fußball und machte erstaunliche Erfahrungen

Ben Redelings ist VfL-Fan und liebt Fußball! „Fußball ist für ihn das Erste am Morgen und das letzte Thema am Abend. Wahrscheinlich träumt er sogar von Fußball“, sagt seine Frau Nadine. Und ausgerechnet dieser Fußball-Verrückte wagte kürzlich ein Experiment: Er wollte einen Monat lang nichts vom aktuellen Fußballgeschehen mitbekommen – ausgerechnet im Mai, in dem Monat also, wenn in den Ligen und im Pokal die Entscheidungen fallen. Seine mitunter skurrilen und erstaunlichen Erlebnisse  hat er nun im Buch „Fußball-Fasten“ veröffentlicht.

Der selbsternannte Fußball-Nerd wollte herauszufinden, ob es überhaupt möglich ist, den Fußball zu ignorieren – wenn man in einer Gesellschaft lebt, in der diese Sportart omnipräsent ist. Die Antwort fällt eindeutig aus: „Es geht nicht“, sagt Ben Redelings im Interview mit Castroper Straße 145. „Man darf  den Fernseher und das Radio nicht einschalten, kein Internet und keine sozialen Medien nutzen.“ Die Tageszeitung wurde vor der Lektüre von Bens Frau nach bestem Wissen und Gewissen vom Fußball bereinigt und sah aus wie ein Schweizer Käse (Foto).

Und selbst dann kann man der Informationsflut nicht entgehen. So lauern in vielen U-Bahnhöfen riesige Leinwände auf denen Nachrichten laufen und die Reisenden auch mit Fußballnews versorgen. Eine Bahnfahrt wird für den Fußball-Fastenden somit zur potentiellen Gefahr.

Die nachdenkliche Seite des Fußball-Komikers

In „Fußball-Fasten“ blickt Ben Redelings kritisch auf das von den Medien „aufgeblähte und überhöhte“ Kunstgebilde Fußball, dessen Stellenwert in unserer Gesellschaft durch nichts zu rechtfertigen sei. Es ist ein anderer Ben Redelings, den der Leser kennenlernt, er zeigt seine nachdenkliche Seite. Dass wird z. B. daran deutlich, dass er in diesem Buch nicht nur Neururer und Matthäus zitiert, sondern auch Brecht und Luhmann. Der Fußball wird zum soziologischen Thema.

Wie kommt ein Fußballfan wie Ben Redelings überhaupt auf die Idee, solch ein Experiment zu wagen? „Mich haben im Fußball viele Dinge gestört, die wahrscheinlich auch viele andere Fans stören.“ Die mittlerweile nicht mehr nachvollziehbaren Gelder, die im Fußball fließen; die Abschottung der Spieler; die Interviews, die vor der Veröffentlichung erst noch reingewaschen werden. „Die Spieler dürfen sich heute nicht mehr frei Schnauze äußern“, bedauert er bestimmte Entwicklungen im Profifußball.

„Uns wird ständig suggeriert, wir müssten am Ball bleiben. Wer das Pokalhalbfinale der Dortmunder in München nicht gesehen hatte, konnte schon Minuten später in den sozialen Medien nicht mitreden. Das setzt uns permanent unter Druck und erzeugt einen Dauerstress.“ Und genau so funktioniere das System. „Wenn man sich dann aber mal aus dem Thema herauszieht, merkt man, wie wir manipuliert werden. Das ist es, wo ich sage, da habe ich keine Lust mehr drauf.“

Der Autor erzählt vom rasanten Bedeutungswandel des Fußballs in den letzten 20 Jahren und nennt den aktuellen Zustand einen „Fußball-Overkill“. Die Sorge, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch etwas vom aktuellen Geschehen mitzubekommen, war daher zu Beginn des Experiments größer als die Entzugserscheinungen.

„Du lebst außerhalb der Norm!“

Sehr anschaulich schildert er, wie er ohne Fußballwissen zum Außenseiter im Freundeskreis wurde. „Ohne Informationen zum aktuellen Fußballgeschehen gehen dir soziale Bindungen verloren. Das ist kaum zu beschreiben.“ Besonders verstörend: Auf einer Familienfeier setzen sich Verwandte von ihm weg, um über Fußball reden zu können.

Seit dem Ende des Experiments versucht Ben Redelings zu selektieren: „Ich finde es schöner, mir ganz bewusst bestimmte Spiele anzuschauen.“ Deshalb hat er sein SKY-Abo gekürzt, schaut nur noch Bundesliga, keinen Pokal und keine Champions League. Ganz ohne Fußball geht es freilich nicht: „Was ich möchte, ist ein gesünderer Zugang zum Thema.“ Denn in einem Punkt ist er sich auch nach 31 Tagen ohne rundes Leder sicher: „Das Gemeinschaftserlebnis Fußball ist kaum zu toppen.“

Nach dem Kinderbuch „Onken Olsen“ stellt „Fußball-Fasten“ eine erneute Weiterentwicklung des Autors Ben Redelings dar. Mit diesem Buch gelingt ihm etwas, an dem sein VfL Bochum noch arbeiten muss: der Aufstieg in eine höhere Liga!

Ben Redelings: Fußball-Fasten, Das Experiment – 31 Tage ohne Fußball, Verlag Die Werkstatt, 160 Seiten, Paperback, 12,90€

Admin

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