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Auf der Linie wird es spannend

Riemann_Sandhausen
Nahaufnahme des Teams Teil 1: Die Torhüter
Am kommenden Freitag startet der VfL Bochum mit dem Heimspiel gegen den SC Freiburg in den Rest der Saison. Die Blogger Stephan Kottkamp (Castroper Straße 145), Tom MacGregor (Commando Bochum) und Tobias Wagner (Blau-weiße Taktikecke) nehmen bis dahin die Mannschaft in vier Teilen genauer unter die Lupe. Los geht es heute mit der Position zwischen den Pfosten. Dabei werfen Stephan und Tom einen Blick auf die Causa Luthe und deren Auswirkungen, während Tobias die Torhüterposition im taktischen Kontext analysiert.
 
Pulverfass zwischen den Pfosten von Stephan Kottkamp
Was ist in den vergangenen acht Wochen eigentlich alles zwischen den Pfosten des VfL passiert? Luthe wurde herausgenommen, weil Verbeek einfach mal etwas verändern wollte. So weit, so gut. Der Wechsel hätte in den vergangenen Jahren immer wieder passieren können, da Luthe nie konstant eine besondere Qualität nachweisen konnte. Dass es ausgerechnet dann passiert, als er in der Form seines Lebens ist, ist ein formidabler Treppenwitz.
Tief verletzt begeht Luthe dann mit seinem Facebook-Post einen Fehler (zum 2. Mal!) und wird temporär suspendiert. Von Verbeek hieß es, das Thema sei durch. Ist es aber ganz offensichtlich doch nicht. Denn warum wurde Luthe nun zur Nummer 3 degradiert? An der Leistung kann es nicht liegen. Es riecht nach gekränkter Eitelkeit des Trainers, dass er Luthe fallen lässt.
Auch Manuel Riemann bekam des Trainers Zorn zu spüren. Beim Test gegen Leverkusen wurde er von Verbeek Mitte der 2. Halbzeit ausgewechselt und öffentlich kritisiert. Immer nur mit Druck und Kritik zu arbeiten, ist nicht zielführend und zeigt pädagogische Unzulänglichkeiten. Ein Torwart muss stabilisiert werden, damit er der Mannschaft ein sicherer Rückhalt sein kann. Da deutet sich für die Rückrunde ein echtes Psychospiel an, ein Pulverfass, das auf die ganze Mannschaft wirken kann.
So werden wir unseren Keeper wohl nicht mehr sehen. Andi Luthes Zeit beim VfL läuft ab.

So werden wir unseren Keeper wohl nicht mehr sehen. Andi Luthes Zeit beim VfL läuft ab.

Die Drei von Tom MacGregor

Bochum hatte mit Luthe, Esser und Dornebusch drei Keeper aus der eigenen Torwartausbildung, quasi aus dem eigenen Stall. Das ist einmalig unter den deutschen Proficlubs gewesen. Da konnte man nur sagen, Greiber und Co., Hut ab. Luthe sah ich vor ca. zehn Jahren auf einer Fanclubveranstaltung im Haus Frein beim Fan Club Block A, da war er noch eher der B-/A-Jugendliche auf dem Sprung, den er dann ja auch schaffte. Vorher suchte Bochum lange nach einem ähnlichen Kultkeeper wie Scholz, Zumdick oder Van Duijnhoven.
Große Schatten werfen diese Legenden im Abstiegskampf.Wir hatten auch Kleff, Gustl oder Keeper wie Drobny und Mager – Luthe hätte es werden können, der Star im VfL-Tor: Castroper Stallgeruch, intelligent und mit Talent auf der Linie ausgestattet, der Bochumer Junge hätte gut gepasst in diese Ahnenreihe. Nun fällt es mir schwer zu sagen, woran es lag, dass er es nicht wurde. Seine Zeit scheint 2016 vorbei, bei den Testspielsiegen gegen Hertha, Gladbach oder Leverkusen war Riemann Stammkeeper, Dornebusch die Nummer Zwei auf der Bank. Eine Degradierung des Ur-Bochumers, der sich durch Egolutionseinwirkung zwei- bis dreimal auffiel, scheint unter Verbeek unausweislich.

Hatte er nach einem dummen Villisdiss (der Neururer seinen Job kostete) vor einem Jahr seinen Stammplatz an Esser verloren und der Verein Riemann geholt, setzte er sich in der Vorbereitung durch, auch weil er sein Spiel am Ball verbessert hatte. Fünf Siege und diese seine Achillesferse schien vergessen, doch seine Leistungen litten zwar nicht sonderlich unter den Niederlagen, aber was genau zu seiner Bankplatzierung gegen Heidenheim führte, wissen wohl nur Insider.
Nach außen wollte der Trainer was Neues probieren, doch Luthe musste das auf Facebook kommentieren. Da er kein dummer Junge ist, sondern ein Denker mit sozialem Engagement, konnte man nicht drüber hinwegsehen. Er wurde teilsuspendiert und ist nun die Nummer drei. Hinter dem fußballerisch stärkeren Riemann und dem anderen Ur-Bochumer Dornebusch wird der Andreas wohl nicht bleiben wollen. Geht er nach Leverkusen oder flüchtet er wie Esser ins Ausland, wir werden es sehen.

Aufgrund seines Verhaltens war Luthe bei den Fans umstritten, er galt als etwas schwierig und daher ist die Trauer überschaubar. Mir tut es leid um den Luthe, doch schlechter wird Bochum mit Riemann auch nicht, da er auf der Linie gleich gut ist, aber der Ex-Sandhäuser einfach die bessere Spieleröffnung besitzt. Nun ist die Frage, kann Dornebusch genug Druck machen auf Riemann, denn Luthes Abschied ist nur eine Frage der Zeit, er ist einfach den Vereinsoberen zu anstrengend geworden und dabei kein Manuel Neuer. In England wäre der Luthe ne gute Nummer, aber im torhüterverwöhnten Deutschland ist er nur Mittelmaß. Der Kickerranglistenanführer Luthe überzeugte meist, aber nicht immer, hatte 1-2 schlechte Jahre und war auch nie der Liebling der Massen, zum Buhmann wurde er aber auch nicht.

Er geht, wir Fans freuen uns auf Riemann und sind gespannt auf Dornebusch. Im Pokal und in der Liga wird der VfL vermutlich nicht auf der Torhüterposition scheitern.

Die neue Nummer 2: Felix Dornebusch wird in der Rückrunde auf der Bank des VfL Platz nehmen. Eine Entwicklung, mit der er wohl auch nicht gerechnet hatte.

Die neue Nummer 2: Felix Dornebusch wird in der Rückrunde auf der Bank des VfL Platz nehmen. Eine Entwicklung, mit der er wohl auch nicht gerechnet hatte.


Bochum – deine Torhüter von Tobias Wagner

Unter Gertjan Verbeek sind die Torleute nicht nur auf der Linie, sondern auch als sicherer Rückhalt in der Ballzirkulation, gefordert. Schließlich ist der ruhige Aufbau aus der Abwehr heraus die Basis des dominanten Ballbesitzfußballes des Niederländers. Aufgrund der Dreierkette im Aufbau ist diese Einbindung noch nicht extrem, da gewöhnlich der zentrale Verteidiger (meist Fabian) als Rückhalt auftritt.
Stellt der Gegner jedoch hoch zu, ändert sich das Szenario. Denn auch dann soll nicht sofort auf den langen Ball, und damit einen wahrscheinlichen Ballverlust, als Sicherheitslösung zurückgegriffen werden. Stattdessen sollen die Lücken, die der Gegner durch sein Aufrücken zwangsläufig anbietet gezielt und flach bespielt werden. Dazu gehen die Verteidiger teilweise bis in die linken und rechten Ecken neben dem Strafraum zurück. Der Torhüter wird zum zentralen Aufbauspieler, der die Bälle scharf und flach zwischen den Innen- und Außenverteidigern sowie den Sechsern verteilt. Dazu werden Ruhe am Ball sowie eine gute Ballkontrolle und Passtechnik benötigt. Inwiefern bringen die vorhandenen Torleute diese Fähigkeiten mit?
Andreas Luthe hat die Herausforderung angenommen und seine Ruhe am Ball deutlich gesteigert. Er wagt keine Risikopässe durch enge Lücken über längere Distanzen, sondern versucht den einfachen Ball zu spielen. Dadurch bringt er mitunter seine Kollegen am Flügel unter Druck, sorgt aber selten für gefährliche Ballverluste unmittelbar vor dem Tor. Der Versuch, auf lange Bälle weitgehend zu verzichten, reduziert den Einfluss seiner Schwäche in dieser Disziplin.
Sein vorbereitendes Stellungsspiel, also die Positionierung, um jederzeit gut anspielbar zu sein, könnte er noch verbessern, da er sich durch sehr tornahe Stellungen teilweise zu weit von seinen Mitspielern entfernt, was unter Druck zu den gefährlichen zu kurzen Rückpässen führen kann. In den klassischen Torhüterdisziplinen ist Luthe stark. Vor allem seine Ausstrahlung im Strafraum bei hohen Bällen lässt die Gegenspieler schon präventiv zurückweichen. Beim Herauslaufen im Eins gegen Eins ist er jedoch oft zu ungestüm und nimmt somit Fouls in Kauf.
Manuel Riemann wurde bei seiner Verpflichtung neben seinem Ruf als Elfmeterkiller insbesondere hinsichtlich seiner spielerischen Klasse mit Vorschusslorbeeren bedacht. Bisher konnte ich diese Klasse hinsichtlich der Einbindung im flachen Aufbauspiel noch nicht erkennen. Viel mehr greift Riemann deutlich schneller auf lange Bälle zurück – wohl aus dem Wissen heraus, dass er diese Disziplin mit hoher Genauigkeit beherrscht. Inwieweit dies jedoch mit den Vorstellungen Verbeeks zusammenpasst, kann nur erahnt werden. Zuletzt zeigte sich der Niederländern unzufrieden mit dem Verhalten Riemanns unter dem Druck der ausgewiesenen Pressingfetischisten aus Leverkusen.
Felix Dornebusch war zu Beginn seiner Fußballkarriere als Zehner ein technisch versierter Feldspieler und hat in der Schalker Torhüterschule unter dem inzwischen legendären Lothar Matuschak das Torwartspiel erlernt. In den zwei Halbzeiten in Testspielen, die ich in der Winterpause sehen konnte, war er klar der aktivste Mitspieler der drei Kandidaten. Es gab teilweise Szenen, bei denen Dornebusch auch im höheren Aufbau sich kurzzeitig in die Aufbaukette eingliederte. Gleiches gilt für das Abfangen von Pässen in die Tiefe, die er deutlich höher erwartet. Inwieweit die klassischen Tugenden hinter diesen Stärken zurückstehen, kann ich aufgrund der geringen Anzahl an Spielen nicht beurteilen.
Mit Andreas Luthe, Manuel Riemann und Felix Dornebusch hat der VfL Bochum drei starke Torhüter mit unterschiedlichen Profilen. Luthe hat die stärkste Ausstrahlung und eine sehr gute Präsenz bei hohen Bällen. Im Aufbauspiel hat er sich gesteigert und erfüllt seine Aufgabe. Riemann ist etwas progressiver im Stellungsspiel und kann mit genauen langen Bällen punkten. Dornebusch gehört als mitspielender Torwart der neuen Generation voraussichtlich die Zukunft.
 

Admin

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