Nahaufnahme des Teams Teil 5: Das offensive Mittelfeld
Im vorletzten Teil des Teamchecks beschäftigen sich die Blogger Stephan Kottkamp (Castroper Straße 145), Tom MacGregor (Commando Bochum) und Tobias Wagner (Blau-weiße Taktikecke) mit dem offensiven Mittelfeld des VfL Bochum.
Zu den Flügeln orientiert von Tobias Wagner
Das offensive Mittelfeld stellt mit gleich drei Spielern und sechs eingesetzten Kandidaten den dicksten Block der Serie dar. Alle drei Positionen haben unterschiedliche Aufgaben und Anforderungen, die wir uns im Folgenden näher ansehen wollen.
Der Aufbau der Bochumer ist sehr auf die Flügel fokussiert. Fast alle offensiven Mittelfeldspieler orientieren sich entsprechend zu einem der Flügel oder Halbräume. Ist dort kein direkter Durchbruch zur Grundlinie möglich, wird versucht, über inverse Dribblings Dynamik Richtung Tor zu erzeugen. Dabei hat insbesondere der linke offensive Flügelspieler eine Schlüsselposition. Er muss sich mit Tempo aus dem Halbraum lösen und mit dem Ball vor der gegnerischen Abwehrkette in Richtung Zentrum dribbeln.
Dabei wird er bei erfolgreicher Initiierung direkt von seinen Mitspielern unterstützt. Der Zehner kreuzt die Bewegung und besetzt die Räume, die sich hinter dem herausrückenden gegnerischen Mittelfeldspieler öffnen. Der rechte Flügelspieler sprintet in die Tiefe, um den ballfernen Pfosten oder den Rückraum zu besetzen.
Ähnliche Abläufe gibt es auch auf rechts, wo jedoch sowohl der Zehner als auch der rechte Flügelspieler in die Mitte ziehen können. Der rechte Flügelspieler agiert dabei tiefer und breiter als sein linkes Pendant. Er ist eher mit dem linken Außenverteidiger zu vergleichen, wird hingegen meist nach Verlagerungen oder über Rotationen im Aufbauspiel eingebunden.
Die Asymmetrie der Flügelspieler kommt auch gegen den Ball zum Vorschein. Während der linke Flügelspieler oft neben den Stürmer im Pressing rückt, fällt der rechte Flügelspieler leicht zurück, um im Herausrücken gegen den höher stehenden Außenverteidiger Bälle zu erobern. Ersteres setzt gutes Timing, hohes Tempo und ein Gefühl für Passwege voraus. Letzteres ist eher auf den direkten Zweikampf fokussiert.
Der Zehner ist gleichzeitig zentraler Balleroberer wie erste Station im Umschaltspiel. Grad zu Saisonbeginn zog Neuzugang Janik Haberer die Ballgewinne wie ein Staubsauger an. Er zeigte sofort, dass er die Auffassungsgabe, Handlungsschnelligkeit und technische Klasse besitzt, um diese Bälle im Gegenpressing zu behaupten und sauber in die offenen Räume zu den Stürmern und Flügelspielern zu verteilen.
Zum mit der Zunge schnalzen von Stephan Kottkamp
In der Historie des VfL gab es immer wieder Zeiten, in denen sich im offensiven Mittelfeld echte Könner tummelten. Eine solche Zeit scheint aktuell wieder angebrochen zu sein. Mit Marco Terrazino, Thomas Eisfeld bzw. Janik Haberer und Onur Bulut besitzt der VfL eine offensive Dreierkette, die den Fußballfan mit der Zunge schnalzen lässt. Bei allen Kickern handelt es sich um feine Techniker, die zudem ein Spielverständnis haben, das in der 2. Liga nur selten zu finden ist.
Mit Marco Terrazino wirbelt auf der linken Seite ein ehemaliger Jugendnationalspieler, der in jungen Jahren von den Talentscouts der TSG Hoffenheim entdeckt wurde. Terra besitzt das Potential eines Bundesligaspielers – keine Frage! Vorzuwerfen ist ihm jedoch die mangelnde Torgefahr – auch wenn er zuletzt drei Tore in Folge erzielen konnte. Für einen Spieler seiner Qualität muss er einfach öfter treffen.
Hinter ihm wartet mit Peniel Mlapa ein Spieler, der zum Ende der Hinrunde den Vorzug vor Simon Terodde erhielt und als Stoßstürmer erste Wahl war. Nun muss er sich wieder hinten anstellen und wird zumeist im Laufe der 2. Halbzeit für Terra eingewechselt. Zu den Stärken des hochaufgeschossenen und bulligen Mlapa gehört die Fähigkeit, den Ball zu halten. Auch wegen seines imposanten Körpers ist er schwer vom Ball zu trennen und kommt daher sehr oft zum Abschluss bzw. zum Abspiel auf den besser postierten Mitspieler.
Mit Terra und Mlapa kann Verbeek auf der linken Seite über zwei komplett unterschiedliche Spielertypen verfügen, mit denen er das Team der jeweiligen Spielsituation anpassen kann. Mit zusammen neun Treffern (Mlapa fünf, Terra vier) ist in Sachen Effektivität aber noch Luft nach oben.
Hinter Terra und Mlapa steht mit Piotr Cwielong ein Spieler, auf dem Abstellgleis, dessen Zeit beim VfL wohl ablaufen wird. Sein Vertrag endet im Sommer und wird vermutlich nicht verlängert werden.
Unglaubliche Variationsmöglichkeiten von Tom MacGregor
Beim Blick auf das aktuelle Bochumer offensive Mittelfeld könnte man als VfLer endlich mal wieder ins Schwärmen geraten. Das war drei bis vier Jahre sicher nicht so in Bochum. Das enorme Potential von Eisfeld, Bulut, Haberer, Novikovas, Gündüz, Terrazzino ist in Teilen erstligareif. Rechnet man den offensiven Sechser Hoogland (oder gar Weis?) noch dazu, besitzt Verbeek unglaubliche Variationsmöglichkeiten, wie sie sonst nur die Trainer von Leipzig, Freiburg und Nürnberg in dieser Zweiten Liga haben.
Es gibt aber Einschränkungen, vor allem was die Torgefahr angeht, wenn man zu sehr schwärmt über Polyvalenz. Nehmen wir den Sechser Hoogland heraus, dazu den leider, leider wieder verletzten Gündüz und zieht den zZ formschwachen Haberer ab, bleiben noch die Spieler Novikovas, Bulut, Eisfeld und Terrazzino. Novikovas war der Verlierer von Sechzig und scheint seine persönliche Rolle beim VfL noch nicht gefunden zu haben.
Ich will mich daher auf die drei anderen offensiven Mittelfeldleute konzentrieren: Shootingstar Bulut, der rechts vorne spielt, während Eisfeld mehr zentral den Zehner gibt, ist im Offensivbereich die Überraschung der Saison. Statt Gündüz hat er sich, der zweite Deutsch-Türke im Kader, auf rechts außen im besten Peter-Peschel-Gedächtnisstil festgesetzt und etabliert. Wie ein Laufwunder wirkt er so, als wolle er den Durchbruch am Besten in der ersten Liga gleich mit schaffen. Er tut und macht, rennt und rackert, manchmal schießt er gar Tore und man ist gespannt, welche Entwicklung Bulut noch nehmen kann und wird. Ich hoffe sehr, er ist keine Eintagsfliege, die dann später, wenn nichts mehr geht, in die Süper League zu Trabzon wechselt.
Dafür ist Eisfeld ein gutes Beispiel, eine neue Liga, ist nicht immer ein neues Leben. Scheiterte er zweimal bei Fullham, so ist er in Bochum gesetzt. Er ist einer der technisch stärksten Spieler, aber der Darek-, Zwetschge- oder Köttel-Versen-Ersatz ist er noch nicht. Fehlen ihm noch Routine, Alter oder Liga-Erfahrung? Muss auch er, wie übrigens auch die Stürmer, torgefährlicher werden? Ja…
Sicherlich, Eisfeld muss das durchleiden, was Terra hinter sich hat, eine Formkrise, die irgendwann endet. Dann traf Terrazzino dreimal in Folge in einem Ligaspiel und ist auf links das, was Bulut auf rechts ist, ein erweiterer Torjäger mit kreativen Ideen. Wenn Eisfelds Traumfreistoßtor gegen F95 und der Treffer gegen den SVS als Maßstab gelten können, ist er auf dem besten Wege sein echtes Potential abzurufen
Die Stürmer halten sich, das ist ein Problem, zeitweise mit dem Treffen zurück, wodurch das Anforderungsprofil an das OM in seiner Qualität steigen muss. Bringen die Spieler konstantere, gierigere Leistungen, wäre der Aufstieg drin. Aber das ist eben auch eine Frage der Qualität.