Nahaufnahme Teil 4: die Doppelsechs
Vor der Viererkette hat sich im modernen Fußball die so genannte Doppelsechs etabliert. Was Schweini und Khedira in der Nationalmannschaft sind, spielen beim VfL Tim Hoogland und Anthony Losilla. Was denken unsere VfL-Blogger über den Marler und den Franzosen?
Die Doppelsechs: das Herzstück! von Tobias Wagner
Bei den meisten aktuellen Fußballteams gilt die Doppelsechs als das Herzstück. Sie baut aus dem Zentrum das Spiel auf und verdichtet gegen den Ball die wichtigen Räume für den Gegner. Auch unter Verbeek haben die zentralen Mittelfeldspieler Schlüsselrollen, diese sind jedoch ziemlich verschieden.
Der Spielaufbau läuft meist über die Innen– und Außenverteidiger. Der rechte Sechser besetzt zwar das Zentrum, um den/die Stürmer des Gegners zu binden, beschränkt sich jedoch meist auf einfache Ablagen und raumschaffende Bewegungen. Dies passt sehr gut zur Dauerbesetzung Anthony Losilla. Der Franzose ist zwar technisch gut, gerät aber unter Gegnerdruck im Zentrum auch mal in Unsicherheit. Nur wenn der Gegner die Außenverteidiger gut zustellt, kippt er auf die ursprüngliche Position von Celozzi heraus, worauf dieser sofort einen Sprint entlang der Linie startet, um seine Gegenspieler vom Sechser zu entfernen. Losilla ist ein passabler Dribbler und kann auf dieser Position Celozzis diagonale Rolle sehr gut ausfüllen.
Obwohl mit Tim Hoogland meist ebenfalls defensiv besetzt, agiert der linke Sechser breiter und höher als sein Nebenmann. Auch er kippt gelegentlich hinter den Linksverteidiger heraus, ist dabei jedoch weniger spielmachend, sondern agiert eher absichernd. Sein Beitrag zum Aufbauspiel beschränkt sich auf kurze Kombinationen mit dem Linksverteidiger und gelegentliche Verlagerungen, um den Angriff neu aufzubauen. Ist der Ball jedoch in der Nähe des gegnerischen Tores, zeigt Hoogland seine Klasse. Wie kaum ein zweiter timed er seine Vorstöße in den Sechszehner, um aus der zweiten Reihe zu schießen oder Abpraller zu verwerten.
Thomas Eisfeld, die Alternative auf dieser Position, ist ein völlig anderer Spielertyp. Er müsste die Rolle deutlich spielmachender, dribbelnder und dominanter interpretieren. Im Umfeld von Dynamikmonster Timo Perthel und Dribbling- und Abschlussmaschine Marco Terrazzino ist dies jedoch sehr schwierig, so dass der späte Wiederneuzugang seine Rolle in der Hinrunde noch finden musste. Eventuell auch ein Grund, warum Verbeek ihn in der Vorbereitung meist auf der Zehnerposition von Haberer ausprobiert hat.
Gegen den Ball haben die Sechser klare Manndeckungsaufgaben. Sie orientieren sich stark an den zentralen Mittelfeldspielern des Gegners. Ihre Aufgabe ist es, Pässe ins Zentrum zu belauern und vor ihren Gegenspielern abzufangen. Danach gilt es, sofort umzuschalten und den Gegner zu überrumpeln. Ein starker Antritt, Antizipation, Zweikampfstärke und gute Orientierung werden benötigt.
Während der höhere linke Sechser vor allem im Gegenpressing gefordert ist und bei Ballverlusten sofort zur Stelle sein muss, hat der tiefere Sechser Anthony Losilla von Verbeek eine wichtige Balancerolle aufgedrückt bekommen. Je nachdem ob der Gegner mit drei oder vier Angreifern agiert, spielt der Franzose in oder vor der Abwehr. Er kann dabei sowohl die Räume zwischen den Innenverteidigern als auch die Schnittstellen zu den Außenverteidigern besetzen. Ein sehr gutes Gefühl für lokale Gleich- und Unterzahlen sowie für offene Räume ist von Nöten. Aus diesem Grund wurde Losilla bei seiner Gelbsperre auch vom gelernten Verteidiger Jan Simunek vertreten.
Der absolute Wille von Stephan Kottkamp
Neben Anthony Losilla (von Michael Wurst mit frankophonem Zungenschlag gerne Oohntennie Losilla ausgesprochen) agiert mit Tim Hoogland ein echtes Kind des Ruhrgebiets. In Marl geboren und in Gelsenkirchen als Profi gereift, war seine Verpflichtung im letzten Sommer ein echter Glücksgriff für den VfL.
Mit Hoogland und Losilla verfügt der VfL über zwei Sechser, die in der 2. Bundesliga zur absoluten Spitze gehören. Das liegt u. a. an Hooglands Erfahrung, die ihm auch in schwierigen Situation ermöglicht, das Richtige zu tun. Hoogland ist nicht nur ein Abräumer, sondern auch mit einer gewissen Torgefährlichkeit ausgestattet. Er weiß, wann es sich lohnt aufzurücken und auf den 2. Ball zu lauern. Seinen unbändigen Willen zeigte er bei seinem Tor gegen Fortuna Düsseldorf. Ein Tor der Marke „den will ich unbedingt machen!“.
Zudem zeichnet sich Tim Hoogland durch eine Mentalität aus, die in Bochum per se beliebt ist, aber momentan besonders gut passt: die Siegermentalität.
Der freche Franzose von Tom MacGregor
Die VfL-Sechser sind sowohl die zentralen Defensiven vor der Abwehr und quasi die versteckten Spielmacher hinter den Spitzen, Mlapa oder Terodde – und gemeinsam mit Eisfeld/Terra und Haberer die Spielentwickler des Bochumer Spiels.
Ich nehme mir den smarten Anthony Losilla heraus, der schon letzte Saison neben Latza glänzte und nun neben Haberer absoluter Stammspieler ist. Der „freche“ Franzose ist der Abräumer vor der Viererkette und ist das mit viel Grazie. Seine Interpretation ist elegant und effizient zugleich. Zusammen mit Eisfeld und dem Marler Hoogland könnte er gegen Freiburg beginnen und beispielsweise Niederlechner und Nielsen vom SCF bekämpfen. Er würde es präzise tun.
Während der Anthony Losilla der klassische Sechser ist, ist Eisfeld, erneut von Fulham gekommen, die 10er Spielmacher-Posi fast alter Prägung. Er kann technisch genau wie Losilla weiter vorne die Aufgaben stets elegant lösen und spielt direkt hinter dem jeweiligen Bochumer Stoßstürmer.
Gegen den FCB wird Eisfeld die Bayerndreierkette attackieren müssen – Alaba, Badstuber und Benatia, vielleicht Tasci. Eisfeld hat absolut das Potential dies zu tun, wäre da nicht seine mangelnde Torgefahr. Das ist die Crux bei Thomas Eisfeld, er rotzt zu selten ab. Genau wie Losilla – obschon der eine komplett andere weil defensivere Rollenbeschreibung hat – muss der Thomas öfter netzen. Denn damit hätte nicht Terodde die Last oder Terra, sondern sie wäre auf mehrere Schultern verteilt.
Dies vorausgesetzt, wird Eisfeld sich gegen den talentierten Haberer durchsetzen und Verbeek sieht und fördert solche Konkurrenzentwicklungen – und das ist gut so. Eisfeld und Losilla sind starke Eckpfeiler des starken Bochumer Mittelfeldes.
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